Olympische Spielstraße anlässlich der Olympischen Spiele, München (1972)
Ruhnaus Planung der „Olympischen Spielstraße“ als Teil des Kulturprogramms der Olympischen Spiele 1972 in München folgte den Entwürfen seines „Mobiltheaters“ als variable Versammlungsstätte. Das Konzept der Spielstraße sollte Zonen für freie, lebendige Kommunikation zwischen Bewohnern, Besuchern, Künstlern und weiteren Akteuren ermöglichen.
Anlässlich der Olympischen Spiele in München 1972 entwickelt, wies Ruhnaus Idee weit über diese hinaus. Im Gegensatz zu den sportlichen Spielen sollten die Besucher hier verschiedene Spielformen gleichzeitig erleben und dabei mit den Spielern in einen Dialog treten und selbst teilnehmen können. Sie sollten sogar in das Geschehen eingreifen, wenn sie von den Akteuren dazu aufgefordert wurden. Die Besucher erhielten dazu ein Programmheft mit exakt beschriebenen Spielregeln.
Ruhnau übernahm neben seiner Rolle als Architekt auch die Rolle des Intendanten, Regisseurs, Entwicklers von Programm und Konzepten sowie des künstlerischen Leiters. Im Gegensatz zu den von ihm realisierten Spielräumen der Theater war die Spielstraße lediglich als temporäre Einrichtung für die Dauer der Olympischen Spiele gedacht.
Rund um den Olympiasee wurde eine Architektur aus kleinen variablen Aktionsfeldern angelegt. Ihre zentralen Elemente waren ein nach griechischem Vorbild gestaltetes Theatron, eine Budenhalbinsel, eine Medienstraße und ein Multivisionszentrum. Das Programm umfasste u.a. die Sparten Theater und Performance, bildende Kunst, Musik, Materialspiele, Film-, Dia-, Licht-, Klanginstallationen und bezog Alltagskulturen gleichrangig ein. Rund 500 Personen inklusive der Techniker gestalteten das Programm, das bis zu 30.000 Besucher täglich anlockte.
Die Künstler griffen den Leistungsgedanken und das Doping sowie die Kommerzialisierung der benachbart stattfinden Sportspiele durchaus kritisch auf. Im Multivisionszentrum wurde nachts gesendet, was tagsüber auf der Spielstraße geschah, durchmischt mit vorbereiteten Programm- und Livesendungen der Fernsehanstalten. Ruhnaus Spielstraße strebte an, die Trennung zwischen Sportlern, Künstlern und Besuchern aufzuheben.
Zunächst von spielerischem Festcharakter geprägt, wurde das Programm nach dem Attentat vom 5. September 1972 jäh gestoppt.